Verhaltensvereinbarungen


Laut Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur haben bereits 41% der Schulen als Teil der Hausordnung sogenannte Verhaltensvereinbarungen eingeführt (Quelle: Neues Volksblatt: Verhaltensvereinbarungen als ein Schlüssel gegen Gewalt, 22.10.2007). Doch was sind diese Verhaltensvereinbarungen eigentlich? Was für ein Sinn steht dahinter? Was sind die gesetzlichen Bestimmungen dazu? Und vor allem: Auf was müssen wir SchülerInnenvertreterInnen bei der Erstellung der Vereinbarungen an unseren Schulen achten? Antworten darauf sind in diesem Beitrag zu finden.

Zur Geschichte der Verhaltensvereinbarungen

2001 beschloss das Parlament, den Schulen die Möglichkeit zu geben, als Teil der Hausordnung sogenannte „Verhaltensvereinbarungen“ zu entwickeln und einzuführen. Die Idee dahinter war, von einer „Verordnungs- zu einer Vereinbarungskultur“ zu kommen, da man davon ausging, dass sich die Schulpartner (Eltern, LehrerInnen, SchülerInnen) eher an gemeinsam vereinbarte Regeln als an eine auferlegte Hausordnung halten würden.

Doch schon bald zeigte die Praxis, dass die „Verhaltensvereinbarungen“ in vielen Schulen zu einem Regelkatalog auswucherten, der von LehrerInnen und Eltern gegen den Willen der SchülerInnen beschlossen wurde und daher wenig mit Vereinbarungen zu tun hatte. Auch die Konsequenzen bei Regelverstößen, die in den Verhaltensvereinbarungen aufgelistet wurden, erinnerten nicht selten an eine Rückkehr zur „schwarzen Pädagogik“ und widersprachen in mehreren Fällen sogar den in der Schulordnung des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG) festgelegten Disziplinierungsmaßnahmen.

2005 beschloss das Parlament daher im Schulrechtspaket eine Reform der Verhaltensvereinbarungen: Künftig mussten Verhaltensvereinbarungen von allen stimmberechtigten Kurien in den Schulgremien – Schulforum oder Schulgemeinschaftsausschuss – mit 2/3-Mehrheit angenommen werden, um in Kraft treten zu können (siehe SchUG § 63a (12) und SchUG § 64 (11)). Das klingt tatsächlich nach mehr Demokratie und erweckt den Anschein, dass Verhaltensvereinbarungen heute wirklich in allen Schulen zwischen den drei Schulpartnern (Eltern, LehrerInnen, SchülerInnen) vereinbart werden müssen und dass alle übereinstimmen müssen. Was jedoch oft übersehen wird, ist, dass das Gesetz ausschließlich eine 2/3-Mehrheit in allen „stimmberechtigten“ Kurien der Schulgremien erfordert. Im Schulforum, dem Schulgremium der Pflichtschulen (dazu gehören Volksschule, Hauptschule/Kooperative Mittelschule, Sonderschule), sind allerdings nur die LehrerInnen- und ElternvertreterInnen stimmberechtigt. Das heißt, dass weiterhin nur diese zwei Kurien über die Verhaltensvereinbarungen abstimmen und diese – auch gegen den Willen der SchülerInnen, die nicht mitbestimmen können – beschließen können. Die Verhaltensvereinbarungen in den Pflichtschulen werden also auch heute noch nicht vereinbart, sondern verordnet. Das Ziel der Verhaltensvereinbarungen wird also in den Pflichtschulen nicht erreicht.

Anders ist die Situation in den höheren Schulen, in denen ein Schulgemeinschaftsausschuss das Schulgremium bildet, in diesem sitzen VertreterInnen der SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern in gleichberechtigter Anzahl und sind stimmberechtigt. Das Gesetz von 2005 hat für die höheren Schulen tatsächlich mehr Demokratie geschaffen, anders als bei den Pflichtschulen. Verhaltensvereinbarungen dürfen hier nur in Kraft treten, wenn in den drei Kurien (SchülerInnenvertreterInnen, LehrerInnenvertreterInnen, ElternvertreterInnen) jeweils eine 2/3-Mehrheit zustimmt. Geht man also davon aus, dass die VertreterInnen der Schulpartner ihre Funktion gewissenhaft wahrnehmen, so müssen die Verhaltensvereinbarungen tatsächlich miteinander vereinbart sein, sollten sie vom Schulgemeinschaftsausschuss beschlossen werden. (Wobei dies in der AHS nur teilweise der Fall ist, da man hier anmerken muss, dass die stimmberechtigten SchülerInnenvertreterInnen ausschließlich von der Oberstufe gewählt werden und die Unterstufe leider über keine Mitbestimmungsmöglichkeiten verfügt.)

Beispiele für Verhaltensvereinbarungen

HAK Tamsweg: Übereinkommen für die Benützung des Notebooks im Unterricht (Entwurf)


1. Betriebsbereitschaft des Notebooks
Die SchülerInnen sind für die Funktionsfähigkeit und Einsatzbereitschaft des Notebooks und der darauf installierten Software selbst verantwortlich. Sollte ein Notebook im Unterricht wider Erwarten nicht einsatzfähig sein, ist zur Setzung geeigneter Maßnahmen der/die Lehrer/in umgehend davon zu verständigen. Das gilt insbesondere bei Leistungsfeststellungen.
Das Notebook ist mit betriebsbereiter Hard- und Software, mit aufgeladenen Batterien und dem Netzteil in den Unterricht mitzubringen.

2. Datensicherung
Die SchülerInnen haben dafür Sorge zu tragen, dass die für die Schule erforderlichen Daten regelmäßig gesichert werden. Ein Datenverlust geht zu ihren Lasten.

3. Online-Dienste
Die Nutzung von Online-Diensten für andere Zwecke als den Unterricht ist nicht gestattet. Überhaupt unterliegt der Einsatz des Internets der ausdrücklichen Aufforderung durch den/die unterrichtende/n Lehrer/in.

4. Videobeamer, Drucker, Klassen-PC
Wenn der Videobeamer nicht gebraucht wird, ist er abzuschalten. Dafür und für das Ausschalten des Druckers und des Klassen-PCs am Ende des Unterrichtstages ist der Klassenordner zuständig.

5. Notebooknutzung
Das Notebook soll Unterstützung und nicht Ablenkung vom Unterricht sein. Nicht immer und nicht laufend kommt es zum Einsatz. Daher ist das Gerät zu schließen, wenn es nicht gebraucht wird. Insbesondere am Beginn der Stunde hat das Notebook geschlossen zu sein.
Die Taskleiste ist so einzurichten, dass sie immer im Vordergrund ist.

6. Aufzeichnungen und Unterlagen
Die SchülerInnen haben über den Unterricht Aufzeichnungen zu führen und diese auf Verlangen dem/der entsprechenden Klassenlehrer/in auszuhändigen. Bei versäumtem Unterricht haben sich die SchülerInnen selbstständig über den Unterrichtsverlauf zu informieren und gegebenenfalls entsprechende Aufzeichnungen und Unterlagen bei den MitschülerInnen zu besorgen.

7. Termintreue / Teamarbeit
Teamarbeit unter Nutzung der neuen Technologien ist eine wichtige pädagogische Zielsetzung. Termintreue ist dabei unerlässlich. Die Zeitplanung für Hausaufgaben, Projekte und Präsentationen ist daher so anzulegen, dass es auch bei technischen oder organisatorischen Problemen (wie zum Beispiel Erkrankung eines Teammitglieds) zu keinem Terminverlust kommt. Sollte die Weiterführung eines Projekts – aus welchem Grund auch immer – gefährdet sein, ist die entsprechende Klassenlehrer/in unverzüglich zu informieren.


8. Copyright
Wie bei allen Publikationen gilt auch bei elektronisch gespeicherten Medien das Copyright (= geistiges Eigentum). Die Verwendung von Texten, Tönen, Bildern, Filmen oder anderen Inhalten ohne Quellennachweis stellt eine Copyrightverletzung dar. Die Produkte von MitschülerInnen sind ebenfalls geschützt und dürfen ohne spezielle Vereinbarung weder verändert noch gelöscht werden.

9. Schutz persönlicher Daten
Niemand darf sich ohne Wissen Zutritt zu Daten anderer SchülerInnen oder LehrerInnen verschaffen („Hacken“). Allein der Versuch, ein fremdes Notebook, einen fremden Computer oder fremden Server im Netz zu orten, zu scannen oder darauf zuzugreifen, wird als Attacke gewertet und strikt disziplinär geahndet. Persönliche Daten über andere Personen, wie Adressdaten, Telefonnummern …, dürfen nicht weitergegeben werden.

10. Pädagogische Maßnahmen bei Verletzung des Übereinkommens
Grundsätzlich gehen alle Beteiligten davon aus, dass die SchülerInnen reif genug sind, verantwortungsvoll mit ihrem neuen „Lernwerkzeug“ Notebook umzugehen. Wenn es einmal vorkommen sollte, dass ein/e Schüler/in die Regeln übertritt, so wird der/die Lehrer/in mit Ermahnung und Zurechtweisung reagieren. Sollte ein/e Schüler/in wiederholt (~ 3mal) gegen die Regeln verstoßen, so kann ein/e Lehrer/in diese/n mit einem einwöchigen „Notebook-Verbot“ belegen. Das heißt, dass der/die Schüler/in das Notebook für eine Woche nicht in die Schule mitnehmen darf. Eventuell dadurch versäumte Unterrichtsinhalte muss der/die Schüler/in selbstständig nachholen, soweit das möglich bzw. zumutbar ist. Darüber hinaus wird das Verbot von der Lehrkraft ins Klassenbuch und in eine spezielle Liste eingetragen, damit die übrigen LehrerInnen sofort davon in Kenntnis gesetzt werden.
Sollte ein/e Schüler/in immer wieder rückfällig werden, so kann in weiterer Folge ein Notebook-Verbot von zwei Wochen erteilt werden. Beim dritten Mal wird der Klassenvorstand mit den Eltern Kontakt aufnehmen, um weitere pädagogische Schritte mit ihnen zu besprechen.

HAK Tamsweg: Verhaltensvereinbarung

Mit der Aufnahme in die HAK/HIT Tamsweg bin ich aktives Mitglied der HAK/HIT Tamsweg-Gemeinschaft geworden. Ich leiste durch meine Aktivitäten und durch mein Verhalten wertvolle Beiträge zum positiven Schulklima. Die vorliegenden Grundsätze sind Leitbild für mein Verhalten in der Schule.

Die HAK/HIT Tamsweg zeichnet sich durch ein offenes Schulklima und eine freundliche Atmosphäre aus.
- Wir begegnen einander respektvoll
- Wir nehmen Rücksicht aufeinander
- Wir grüßen einander
- Wir lösen Konflikte wertschätzend und fair
- Wir verwenden Deutsch als gemeinsame Sprache

An der HAK/HIT Tamsweg tragen alle zu einem angenehmen Arbeitsklima bei
- Wir sind pünktlich
- Wir sind zu Stundenbeginn im Klassenraum
- Wir bereiten unsere Lernunterlagen für das jeweilige Fach vor
- Wir schalten unsere Handys und MP3-Player aus
- Wir halten uns an die Vereinbarungen zur Verwendung des Laptops als
Arbeitsgerät im Unterricht
- Wir vermeiden Störungen und Lärm während der Unterrichtszeit
- Wir nützen die Pausen sinnvoll zur Erholung und zur Vorbereitung für die nächste Stunde

Die HAK/HIT Tamsweg-Gemeinschaft sorgt für ein sauberes Arbeitsumfeld
- Wir halten unser Schulgebäude und unsere Klassenräume sauber
- Wir gehen mit Einrichtungsgegenständen und Geräten sorgsam um
- Wir tragen im Schulgebäude Hausschuhe
- Wir entsorgen unseren Müll umweltfreundlich

An der HAK/HIT Tamsweg übernehmen alle wesentliche Aufgaben
- Wir melden nach 10 Minuten das Fehlen der Lehrperson
- Wir melden uns ab, wenn wir während der Unterrichtszeit die Schule verlassen müssen
- Wir erbringen für unsere Fehlstunden einen Versäumnisnachweis
- Wir kümmern uns als Klassenordner um unsere Aufgaben
- Wir übernehmen als Schüler und Schülerinnen und im Team Verantwortung

An der HAK/HIT Tamsweg tragen wir für unser Handeln die Verantwortung
- Wir halten uns an Vereinbarungen im Unterricht und auf Schulveranstaltungen
- Wir übernehmen für unser Verhalten, das der HAK/HIT-Gemeinschaft schadet, die Verantwortung
- Wir tragen für unser Fehlverhalten die von der Schulleitung vorgesehenen Konsequenzen

Quellen

Rauscher, Erwin: Verhalten vereinbaren: Schulkultur im Dialog, Wien 2003
Neues Volksblatt, Verhaltensvereinbarungen als ein Schlüssel gegen Gewalt(22.10.2007)
http://www.bmukk.gv.at/medienpool/5821/schulrecht_info_2.pdf (22.10.2007)

Links

Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
SchülerInnenverein "Coole Schule"

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Während also in den höheren Schulen tatsächlich eine „Vereinbarungskultur“ gegeben ist und alle Schulpartner in die Verhaltensvereinbarungen eingebunden sein müssen, ist davon in den Pflichtschulen keine Rede. VolksschülerInnen, HauptschülerInnen, SonderschülerInnen: Sie alle haben keine Möglichkeiten, bei den Verhaltensvereinbarungen gleichberechtigt mitzubestimmen und diese zu verhindern, sollte sie nicht den Ansprüchen der SchülerInnen genügen. Von Vereinbaren kann hier nicht die Rede sein. Will man also auch in den Pflichtschulen – den Schulen, die immerhin bei Weitem die höchsten SchülerInnenzahlen haben – eine Vereinbarungskultur schaffen, muss man auch hier die SchülerInnenvertretungen und Schulgremien demokratisieren –nach dem Vorbild der höheren Schulen.

von Igor Mitschka, Obmann des überparteilichen SchülerInnenvereins „Coole Schule“ und Schulsprecher am GRG Erlgasse (Wien 12)


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