Sinn und Zweck von Gewerkschaften
Prinzipiell stehen sich in der Arbeitswelt zwei Interessengruppen gegenüber: Die UnternehmerIn, die Fabriken, Maschinen und sonstigen Arbeitsgeräte besitzen und die ArbnehmerInnen, die zum Überleben ihre Arbeitskraft verkaufen. (Link: Interessenskonflikte)In dieser Auseinandersetzung haben die UnternehmerInnen ein Machtübergewicht. Sie können über die Produktionsmittel (Fabriken, Maschinen, Computer, usw.) frei verfügen und sich aussuchen wer in ihren Unternehmen arbeitet. Zwar benötigen sind sie auf Arbeitskräfte in ihren Unternehmen, da es aber fast immer mehr Arbeitssuchende als Arbeitsplätze gibt, können sie sich die Arbeitssuchenden aussuchen und gegeneinander ausspielen. Die ArbeitnehmerInnen können hingegen ihre Existenz, ihr Überleben nur sichern, wenn sie ihre Arbeitskraft verkaufen können. Sie sind also zur Gänze abhängig.
Um dieses Übergewicht auszugleichen haben sich ArbeitnehmerInnen zusammengeschlossen um ihre Interessen gemeinsam zu vertreten. Solche freiwilligen Zusammenschlüsse von ArbeitnehmerInnen nennt man Gewerkschaften. Gewerkschaften sind aber keine normalen Vereine, wie etwa Sportvereine (wo sich auch Menschen mit denselben Interessen organisiert treffen), sondern eine Zweckgemeinschaft, in der man sich gegenseitig hilft und miteinander für seine Interessen kämpft. Gewerkschaften sind also politische Akteure, die durch Beeinflussung der Politik die Arbeitsbedingungen für die ArbeiterInnen/ArbeitnehmerInnen verbessern möchten. Hauptziel der gewerkschaftlichen Aktivitäten somit ist die Hebung des Lebensstandards aller ArbeitnehmerInnen.
Um dieses Ziel zu erreichen übernehmen Gewerkschaften im Wesentlichen drei Funktionen:
- Gestaltungsfunktion
- Gegenmacht
- Schutzfunktion
Gestaltungsfunktion
Gewerkschaften sind heute von der Gesetzgebung, den Parteien, den ArbeitgeberInnen und der öffentlichen Meinung anerkannte Organisationen. Sie sind in Begutachtungsverfahren von Gesetzen eingebunden und als Teil der Sozialpartnerschaft in wirtschaftspolitischen Diskussionen sehr ernst genommen. Gemeinsam mit den Wirtschaftskammern schließen sie die Kollektivverträge ab und gestalten damit das Wirtschafts- und Sozialleben in Österreich maßgeblich mit.
Darüber hinaus übernehmen GewerkschafterInnen wichtige Funktionen in öffentlichen Institutionen wie dem Arbeitsmarktservice oder auch der Sozialversicherung. Dabei versuchen sie diese Institution im Interesse der ArbeitnehmerInnen mitzugestalten.
Gegenmacht
Als einzelne ArbeiternehmerIn hat man gegen die wirtschaftliche Macht von Unternehmen und die politische Macht von Unternehmensverbänden wenige Chancen. Viele politische und soziale Forderungen werden nicht gehört, wenn nur wenige Stimmen danach rufen. Durch die Zusammenarbeit und Solidarität in Gewerkschaften und darüber hinaus, wird jenen eine starke Stimme verliehen, die sonst keine hätte.
In die Aufgaben des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) heißt es dazu:
„Der ÖGB ist in Verfolgung seines Zwecks zu einem kraftvollen Mitwirken an der steten sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Weiterentwicklung Österreichs, zur Wahrung der Unabhängigkeit und Neutralität sowie zur Wahrung der in der Verfassung verankerten Rechtsstaatlichkeit unseres Landes in einem sozialen Europa, zur Bekämpfung des Faschismus, jeder Reaktion und aller totalitären Bestrebungen, zur Mitarbeit an der Sicherung des Weltfriedens und der Menschenrechte sowie zum unentwegten Kampf zur Hebung des Lebensstandards der ArbeitnehmerInnen Österreichs und zum Einsatz für Gleichstellung von Frauen und Männern berufen und verpflichtet.“
Stärkstes Druckmittel im Kampf für die Rechte von ArbeitnehmerInnen ist dabei der Streik, das heißt die kollektive Arbeitsniederlegung. Da auch Unternehmen von ihren ArbeitnehmerInnen abhängig sind, können ArbeitnehmerInnen so durch ihre Gewerkschaften eine große Gegenmacht ausüben.
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Schutzfunktion
Neben den Forderungen und Aktionen zur Verbesserung der Löhne und Arbeitsbedingungen haben die ersten Gewerkschaften bereits Hilfskassen geschaffen. Diese Kassen wurden durch Beiträge der Mitglieder gefüllt und stellten in den Stunden der größten Not, wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Tot oder Streik Mittel zum Überleben zur Verfügung.
Diese Hilfskassen wurden zum Kern der Solidarität für die hilf- und mittellosen KollegInnen und deren Familien. In Österreich, wie nahezu in ganz Europa, hat der Sozialstaat im Laufe der Zeit die Fürsorge für Krankheit, Alter, Todesfälle oder Arbeitsunfälle den Gewerkschaften abgenommen. (Siehe Sozialversicherung). Nichtsdestotrotz gibt es für Gewerkschaftsmitglieder zusätzliche Absicherungen wie Beispielsweise eine spezielle Berufshaftpflicht- und Unfallzusatzversicherung oder auch eine Unfall- und Krankenversicherung für atypisch Beschäftigte (siehe Atypische Beschäftigung). Die Lohnfortzahlung bei Streiks (Streikgeld) bleibt auch Gewerkschaftsmitgliedern vorbehalten.
Darüber hinaus bieten Gewerkschaften ihren Mitgliedern eine kostenlose Rechtsberatung bei Arbeits- und Sozialrechtlichen Problemen und Unterstützung bei der Durchsetzung der Ansprüche vor Gericht.
Quellen
Martin Bolkovac/Michael Vlastos/Elisabeth Mitter (2009): Was sind Gewerkschaften?, Schriftenreihe Gewerkschaftskunde, VÖGB, Wien.
Gewerkschaftskunde Broschüre (11.12.2013)