Prekarisierung
Vom Wortstamm her bedeutet prekär soviel wie „unsicher“ oder „nicht dauerhaft“. Mit Prekarisierung wird in der Arbeitswelt eine Entwicklung hin zu unsicherer und nicht dauerhafter Beschäftigung beschrieben.Das Gegenteil von prekär: Normalarbeitsverhältnis
In der wissenschaftlichen Literatur wird ein Normalarbeitsverhältnis durch folgende Merkmale charakterisiert:
- Arbeit wird im Rahmen persönlich abhängiger Beschäftigung geleistet; das Arbeitsverhältnis konzentriert sich auf einen Arbeitsplatz und eineN ArbeitgeberIn.
- Die Erwerbsarbeit ist eingebunden in ein System arbeits- und sozialrechtlicher Schutzbestimmungen sowie in die kollektive Vertretung durch Gewerkschaften.
- Es besteht persönliche Abhängigkeit von der Erwerbsarbeit, diese ist als Vollzeitarbeitsverhältnis (35-40 Stunden/Woche) auf Dauer und Kontinuität ausgelegt.
Ein solches Normalarbeitsverhältnis bedeutet – neben einem existenzsichernden Einkommen – auch die volle Einbindung in das Schutzsystem des Sozialstaats: Unfall-, Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung.
Das Arbeitsrecht und Kollektivverträge regeln genau die Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten; BetriebsrätInnen, Gewerkschaft und Arbeiterkammer achten darauf, dass diese Bestimmungen auch eingehalten werden.
Das Gegenteil von normal: Prekarisierung
Als atypische Beschäftigungsverhältnisse werden Arbeitsformen bezeichnet, die nicht diesem Normalarbeitsverhältnis entsprechen. Der Prozess in der Arbeitswelt, der zu einem Rückgang der Normalarbeitsverhältnisse und zu einem Anstieg atypischer Beschäftigungsverhältnisse führt, wird Atypisierung genannt. Als prekär wird ein Beschäftigungsverhältnis angesehen, das kein Einkommen vermittelt, mit dem man längerfristig auskommen kann.
Als atypische Beschäftigungsverhältnisse gelten:
- Teilzeitarbeit
- geringfügige Beschäftigung
- befristete Beschäftigung und Praktika
- Leiharbeit
- „neue Selbstständige“/“Ich-AGs“
- freie Dienstverhältnisse
Vorteile für wenige und Nachteile für viele
Atypische Beschäftigungsverhältnisse haben für Unternehmen den Vorteil, dass Arbeitskosten gesenkt, der Arbeitseinsatz flexibler gestaltet und die betriebliche Personalpolitik „erweitert“ werden können.
Diese vermeintlichen Vorteile für UnternehmerInnen gehen jedoch zulasten der ArbeitnehmerInnen und durch Aushöhlung der sozialen Sicherungssysteme letztlich auch der Gesamtgesellschaft. Die konkreten Nachteile sind abhängig von der Art des atypischen Beschäftigungsverhältnisses (siehe Aufzählung oben):
- schlechte Entlohnung („working poor“: Armut trotz Erwerbstätigkeit)
- keine oder nur eingeschränkte Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung
- Nicht-Anwendbarkeit oder Umgehung von arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen (Kündigungsschutz, Krankenentgeltfortzahlung, geregelte Arbeitszeit, Urlaubsentgelt, etc)
- permanente Unsicherheit („Generation Praktikum“: bezahlte oder unbezahlte Praktika bzw. befristete Verträge reihen sich aneinander, ohne Perspektive auf eine fixe Anstellung)
- Überwälzung des „unternehmerischen Risikos“ auf den/die ArbeitnehmerIn
- keine Vertretung durch den/die BetriebsrätIn
Auswege
Abhilfe schaffen könnte die Einführung flächendeckender sozial- und arbeitsrechtlicher Mindeststandards (z.B. gesetzlich geregelter Mindestlohn, Entgeltfortzahlung im Krankenstand, Entgeltfortzahlung während des Urlaubs, etc) – dazu bedarf es allerdings der politischen Organisation von prekär Beschäftigten, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.
Hier gibt es eine Reihe an Initiativen, beispielsweise die „Plattform Generation Praktikum“ oder work@flex in der GPA-djp.
Quellen
Castel, Robert/Dörre, Klaus (Hg.)(2009). Prekarität, Abstieg, Ausgrenzung, Frankfurt/Main.
Füllsack, Manfred (2009). Arbeit, Wien.
Hofer; Konrad (2000). Arbeit ohne Schutz, Wien.
Keller, Berndt/Seifert, Hartmut (Hg.)(2007). Atypische Beschäftigungsverhältnisse, Berlin.
Mückenberger, Ulrich (1985). Die Krise des Normalarbeitsverhältnisses, in: Zeitschrift für Sozialreform, Vol. 7, 415-434.