Die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007

Als Wirtschaftskrise bezeichnet man die Phase eines außergewöhnlich starken und raschen Absinkens des Wirtschaftswachstums. Schrumpft eine Wirtschaft über mehrere Jahre, befindet sie sich in einer Depression. Die Folge sind Einkommensverluste, Zahlungsprobleme, Unternehmenszusammenbrüche und steigende Arbeitslosigkeit. Das Wörterbuch Duden, bezeichnet als Krise eine „schwierige Situation, Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt“. Viele Zusammenhängende und voneinander losgelöste Prozesse führen zu einer Situation, in der es nicht mehr so weiter geht wie bisher und neue Wege beschritten werden müssen.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007

Der Auslöser (nicht die Ursache) der Finanz- und späteren Wirtschaftskrise ab 2007 war das Platzen einer Spekulationsblase auf dem US-Immobilienmarkt. Dieser führte zu massiven Verluste bei Unternehmen der Finanzbranche und einem Ende des Kreditwachstums, die sich im Laufe des zweiten Halbjahres 2008 auch auf die Realwirtschaft auswirkten Im September 2008 sorgte die Pleite der Investmentbank Lehman & Brothers für den weitgehenden Zusammenbruch des globalen Finanzsystems, das durch massiven Einsatz öffentlicher Gelder gerettet werden musste. In Folge kam es zum stärksten Wirtschaftseinbruch der Nachkriegszeit. Nur mittels massiver staatlicher Eingriffe – in erster Linie Bankenhilfen und Konjunkturpakete – konnte eine Depression wie in den 1930ern vorerst verhindert werden. Die Kosten der Staaten und damit der Bürgerinnen und Bürger waren enorm, denn neben direkten Kriseninterventionskosten kam es zu konjunkturbedingten Steuerausfällen und zusätzlichen Ausgaben durch die steigende Arbeitslosigkeit. Die Folge war ein deutlicher Anstieg der Staatsverschuldung.

Staatsverschuldung in % des Bruttoinlandsproduktes

Quelle: AMECO-Datenbank, eigene Darstellung


Die Ursachen („3 U´s“) der Krise:


Ungleichverteilung von Vermögen und Einkommen:

Seit den 80er Jahren zeigt sich eine weltweite Ausweitung der Ungleichheit in der Verteilung von Vermögen und Einkommen. Ein massiver Rückgang des Anteils der Lohneinkommen und ein drastischer Anstieg der Gewinneinkommen sind zu sehen. D.h., dass sich jene die über ausreichend Kapital verfügen über Zuwächse freuen konnten, während die Löhne kaum gestiegen sind. Zudem entstand nahezu weltweit ein tiefer Graben zwischen hohen und niedrigen Einkommen und bei den Vermögen.
Um dieser Verteilungskrise zu entfliehen wurde in Ländern wie die USA, Großbritannien oder Spanien versucht, das Zurückbleiben der Mittelschicht durch eine Ausweitung der Verschuldungsmöglichkeiten zu kompensieren.
Auch für Österreich lässt sich eine zunehmende Ungleichheit der Einkommenszuwächse feststellen. (siehe Factsheet Verteilung)

Einkommen ungleich verteilt

Quelle: APA, Sozialbericht


Die Zunahme der Ungleichheiten in der Verteilung der Einkommen hat die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in allen Ländern geschwächt.
Den unteren sozialen Gruppen, die einen hohen Konsumbedarf haben, fehlte das Einkommen dazu. Die oberen Einkommensgruppen hätten zwar das Geld, nur haben diese ihre Konsumwünsche meist schon gedeckt. So suchten sie für ihr überschüssiges Kapital nach neuen Veranlagungsmöglichkeiten. Dieses „Spielkapital“ landete nun über Banken auf den Finanzmärkten. Als direkte Folge der zunehmenden Ungleichheit der Verteilung wuchsen die Bedeutung des Finanzsektors und die Gefahr von Spekulationsblasen stark an.

Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft:

Im Saldo der Leistungsbilanz zeigt sich ein wichtiger Faktor der Finanzkrise.
Länder, die hohe Importdefizite haben, daher mehr produzieren als sie verbrauchen, weisen zumeist auch hohe Überschüsse in der Leistungsbilanz auf.
In China stiegen in den letzten 2 Jahrzehnten die Exporte viel rascher als die Importe. Das war ein Ergebnis der starken Exportorientierung (es gibt dort niedrige Lohnkosten, eine unterbewertete Währung und ein Nichtbeachten der Umwelt). Da es in diesem Land kein ausreichendes Sozialnetz gibt (Alters– und Krankenversorgung) sparen die privaten Haushalte in diesem Land 1/3 des Einkommens. Dadurch werden die Importe stark gebremst.
Auch in der EU gibt es Länder mit hohen Überschüssen in der außenwirtschaftlichen Bilanz (Deutschland bis zu 8 %; Österreich bis zu 5 %). Diese Länder erzielen im Export hohe Einnahmen, die sie nicht vollständig für Importe ausgeben. Das übrig bleibende Kapital wird auf den internationalen Kapitalmärkten angelegt. Auf der anderen Seite gibt es Staaten, die mehr importieren als sie produzieren und sich somit zumeist verschulden.

Leistungsbilanzsalden in Mrd. Euro

Quelle: AMECO-Datenbank, eigene Darstellung


Die Ungleichgewichte im Saldo der Leistungsbilanz sind also 2 Seiten der gleichen Medaille. In der einen Gruppe von Ländern führt schwaches Lohnwachstum zu zurückhaltendem Konsum und Import einerseits und zu hoher preislicher Wettbewerbsfähigkeit im Export andererseits. Sie brauchen Länder, die mehr verbrauchen, als sie produzieren. Diese Länder müssen nun ihrerseits ihre Verschuldungsmöglichkeiten ausweiten und benötigen Kapitalzuflüsse. Das kann zu Spannungen in Form der vielzitierten „Währungskriege“ auf globaler und/oder zu Zahlungsbilanzkrisen innerhalb eines Währungsraums (z. B. Eurozone) führen. Werden keine Ausgleichsmechanismen gefunden, droht der Währungsraum zu zerbrechen.

Unregulierte Finanzmärkte:

Aufgrund der Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise in den 1930 Jahren wurden Finanzmärkte und Banken weitreichend reguliert. Zudem gab es internationale Kapitalverkehrskontrollen, feste Wechselkurse zwischen den Währungen und Kreditbeschränkungen. Zu Beginn der 1970 Jahre wurden die Regulierungen wieder abgebaut, nachdem das relativ fixe Wechselkursregime gescheitert ist.
Nach den Vorstellungen marktgläubiger Ökonomen setzte sich die Idee der sich selbstregulierenden Finanzmärkte immer stärker durch. Zudem sorgte die wachsende Vielzahl neuer Finanzprodukte (=Derivate) insbesondere ab Ende der 1990er zunehmend für Instabilitäten. Die Finanzinnovationen, die ursprünglich zur Verringerung des Risikos einzelner Finanzgeschäfte geschaffen wurden, haben schließlich 2008 zum Zusammenbruch des Finanzsystems beigetragen.

Die Folgen der Krise:


Hohe Arbeitslosigkeit

Eine der schlimmsten Folgen der Wirtschaftskrise ist die massive Verschlechterung der Lage am Arbeitsmarkt. Durch den Rückgang der Produktion erhöhte sich die Arbeitslosigkeit kräftig.

Arbeitslosigkeit in der EU, in %

Quelle: Eurostat

In Europa waren vor der Krise 16 Millionen Menschen ohne Arbeit, 2012 waren es 25 Millionen. Damit liegt die Arbeitslosigkeit bei über 10,7%. In den Krisenländer Spanien und Griechenland ist bereits jedeR Vierte ohne Job.
Innerhalb Europas ist Österreich das Land mit der niedrigsten Arbeitslosenquote in der EU (4,4 % nach EU-Zählweise). Besonders der Sozialstaat half, die Risiken und Folgen für die Bevölkerung abzumildern und damit das Vertrauen und die Wirtschaft zu stabilisieren.


Jugendarbeitslosigkeit in der EU

Quelle: Eurostat, Jugendarbeitslosigkeit
Eine besonders schlimme Folge der Krise ist der drastische Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen lag in der EU im Jahr 2012 bei 23,4%, in Spanien und Griechenland bereits bei fast 60%!



Staatsverschuldung

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat zu einem starken Anstieg der Staatsverschuldung geführt. Der Rückgang der Beschäftigung und des Einkommens, der Ausfall von Steuereinnahmen in Milliardenhöhe, zusätzliche Konjunkturprogramme zur Stabilisierung der Wirtschaft und die Rettung der Banken durch Zuschuss von Staatskapital waren die Gründe. Zusätzlich zu den Konjunkturpaketen der Staaten, kam es zu massiven Bankenhilfen. In Österreich wurden drei Banken notverstaatlicht und es gibt Staatsbeteiligung an weiteren Banken.

Zunehmende Ungleichheiten

Die Ungleichheiten der weltweiten Verteilung von Einkommen und Vermögen steigen nach der Krise weiter an. Die Krise führte nur zu einem vorübergehenden Einbruch bei den Vermögenseinkommen und Gewinne.

Ein Blick in die Zukunft:


Die von den Banken ausgelöste Krise hinterlässt nachhaltige soziale und wirtschaftliche Probleme. Die angestiegenen öffentlichen Defizite und Schulden müssen langfristig wieder rückgeführt werden. Als Folge der Krise zeigen sich große Finanzierungsprobleme im Sozialstaat. Es stellt sich die Frage, ob die Steuern für die Reichen erhöht werden. Wenn nicht, muss gespart werden. Kürzungen von Sozialleistungen treffen jedoch verstärkt die Armen.
Die Kürzung der Staatsausgaben bremst aber auch die Konjunktur, führt zu steigender Arbeitslosigkeit, dämpft die Steuereinnahmen, erhöht die Sozialausgaben und führt damit wieder zu Budgetproblemen. Ganz ungeachtet der sozialen und individuellen Auswirkungen auf die Menschen in den betroffenen Ländern. Da die großen Ungleichheiten auch Ursache dieser Krise waren, erhöhen sich mit deren Anstieg auch die Gefahren neuen Krisen.
Die wichtigste Änderung, die die Krise mit sich brachte, zeigt sich im Bereich der Regulierung der Finanzmärkte. Die Erkenntnis, dass eine staatliche Aufsicht über die Banken und Finanzmärkte notwendig ist, führt zu verstärkten Bemühungen die Qualität der Aufsicht zu verbessern.
Bei der notwendigen Verkleinerung des Finanzsektors gibt es noch keine Fortschritte. Um den Zustrom von Kapital auf die Finanzmärkte zu verringern, könnte der Finanzsektor stärker besteuert werden.

Quellen und Literaturhinweise:

Markus Marterbauer „Zahlen bitte!“; Die Kosten der Krise tragen wir alle; Deuticke im Paul Zsolnay Verlag Wien 2011
Brigitte Unger „Wer ist schuld an der Finanzkrise?“ Kurswechsel 1/2010; www.kurswechsel.at
Josef Zuckerstätter; „Die 3 U´S der Krise“; AK Wien, Wirtschaftswissenschaft;
DGB; „Ursachen und Wege aus der Krise“; Bereich Wirtschafts- und Steuerpolitik


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