Landtagswahl Wien 2010: Interview mit Sebastian Kurz (ÖVP)

Polipedia führte am 09.08.2010 ein Interview mit Sebastian Kurz, Landesobmann der Jungen Volkspartei Wien sowie Bundesobmann der Jungen Volkspartei (JVP).

Polipedia: Herr Kurz, Sie sind seit Kurzem zurück von der Sommertour der ÖVP durch ganz Österreich. Wie lautet Ihr Resümee, was haben Sie erlebt?

Kurz: Wir waren mit der Tour „rekord-verdächtig“ den ganzen Sommer lang unterwegs. Wir besuchten Vereine und junge Menschen, die freiwillig tätig sind, weil sie in der Gesellschaft etwas weiterbringen wollen. Es gibt eine riesige Zahl an jungen Menschen, die sich ehrenamtlich – ohne Entlohnung – engagieren, um Menschen zu helfen und mehr Lebensqualität in ihrer Gemeinde zu schaffen. Und: Weil es ihnen einfach Spaß macht, gemeinsam mit Freunden ihr Umfeld zu gestalten.

Polipedia: Sind Sie selbst auch ehrenamtlich tätig?

Kurz: Die Junge ÖVP ist eine ehrenamtliche Organisation. Selbstverständlich bin ich bei dieser gemeinsam mit unseren 100.000 Mitgliedern ehrenamtlich tätig.

Polipedia: Würden Sie sagen, dass die ÖVP eine Partei für Jugendliche ist?

Kurz: Die ÖVP ist die Partei für junge Menschen: Einerseits, weil wir eine nachhaltige Politik im Sinne der Jungen machen und andererseits, weil auch das Ergebnis für uns spricht. Sieht man sich die Ergebnisse der letzten drei Landtagswahlen an – Vorarlberg, Oberösterreich und Burgenland – spricht der Erfolg für uns. Wir waren bei diesen letzten Landtagswahlen jedes Mal klar die Nummer Eins bei den unter 30-Jährigen.

Polipedia: Inwiefern vertritt die ÖVP die Anliegen der Jugendlichen? Welche Punkte würden Sie besonders herausstreichen?

Kurz: In der Bundespolitik müssen wir gerade jetzt in Krisenzeiten, einer Zeit, in der unsere Generation darauf schauen muss, dass es uns auch in Zukunft gut geht, Lösungen für Systeme finden, die bereits am Ende sind: zum Beispiel das Pensionssystem. Neue Steuern sind es sicher nicht.
Es braucht einfach eine Partei, die nachhaltig denkt, die es schafft, dass auch unserer und der nächsten Generation noch was bleibt. Eine Partei, die dahinter ist, dass Reformen gemacht werden, die schon längst überfällig sind.
Das alles vertritt die ÖVP in der Regierung – teilweise gegen den Willen des Koalitionspartners. Die ÖVP ist die Partei, die Reformen und Veränderungsprozesse vorantreibt, die unserer Generation nutzen.

Ein Schwenk zu Wien: Hier ist es spätestens mit der Idee 24-Stunden-U-Bahn offensichtlich geworden. Wir haben einen Bürgermeister, der Wien zwar verwaltet, aber kein Interesse daran hat, Wien zu einer modernen Metropole zu machen, in der sich junge Leute wohlfühlen und in der Platz für neue Ideen ist.
Immer wenn man neue Ideen hat, werden diese zurückgewiesen oder blockiert. Sei es 24-Stunden-U-Bahn, WLAN an allen öffentlichen Plätzen, modernere Parkeinrichtungen oder eine breitere Nutzung des öffentlichen Raums – mit all diesen Ideen haben wir ständig bewiesen, dass wir die Vertreter der jungen Menschen sind und dass die SPÖ Wien leider immer die Blockierer-Rolle einnimmt.

Polipedia: Darf ich da gleich darauf eingehen? Sie haben gesagt, in Wien gibt es einen Bürgermeister, der zwar verwaltet, der aber kein Interesse hat, die Stadt zu einer modernen Metropole zu machen. Wien wurde zum zweiten Mal in Folge zur Stadt mit der höchsten Lebensqualität gewählt. Was würde denn die ÖVP anders machen wollen in Wien?

Kurz: Wien hat definitiv eine hohe Lebensqualität. Wien ist eine wunderschöne Stadt und Österreich ein wunderschönes Land – man braucht ja nur aus dem Fenster zu schauen. Aber: Darauf darf man sich nicht ausruhen. Man muss danach streben, dass es noch schöner wird, dass es moderner und besser wird.
Was die ÖVP anders machen würde, ist ganz klar: Wir würden neue Ideen nicht blockieren, sondern ganz massiv nach neuen Ideen suchen.
Und, das muss man auch erwähnen, Wien ist die am teuersten verwaltete Stadt der ganzen Welt. Alle schimpfen über den EU-Bürokratiesumpf in Brüssel mit 30.000 Beamten. In Wien gibt es 65.000 Beamte! Wien ist überverwaltet und Wien ist teuer verwaltet. Wir würden es anders machen und wesentlich weniger Geld in diesen Bürokratiesumpf fließen lassen, in ein Rathaus mit einem 65.000 Mitarbeiter-Hofstall des Bürgermeisters, in einen unendlichen Privilegiensumpf bei Rathausbediensteten. Wir würden dieses Geld in neue Ideen, wie zum Beispiel in die U-Bahn, investieren.

Polipedia: Die 24-Stunden-U-Bahn ist jetzt umgesetzt. Sie haben davon gesprochen, dass laufend neue Ideen blockiert werden. Welche zum Beispiel?

Kurz: Wir haben nach der U-Bahn, mit der Forderung nach WLAN an allen öffentlichen Plätzen für Aufmerksamkeit gesorgt – eine Einrichtung, die beispielsweise in London schon gang und gäbe ist, und auch in Graz möglich ist. Wir haben diese Idee dem Bürgermeister und den zuständigen Stadträten präsentiert, zurück kamen aber nur Absagen und die Auskunft: „Kein Bedarf, es ist zu teuer. Wien ist die Stadt mit der höchsten Lebensqualität.“ Und so ging es uns immer wieder.

Polipedia: Freuen Sie sich, dass die 24-Stunden-U-Bahn jetzt umgesetzt wird?

Kurz: Sehr!

Polipedia: Wie finden Sie die Umsetzung?

Kurz: Wenn ich mich zurückerinnere, dann war die Volksabstimmung am Anfang des Jahres. Laut Wiener Linien wäre es möglich gewesen, die 24-Stunden-U-Bahn in vier bis sechs Wochen umzusetzen. Bürgermeister Häupl hat sich Zeit gelassen – von Anfang des Jahres bis zum 3. September – um diese Umsetzung als Wahlkampfzuckerl verkaufen zu können. Insofern ist da von einer guten Umsetzung keine Rede, sondern von langsam und viel zu spät.

Polipedia: Die ÖVP war in den letzten fünf Jahren in Wien Opposition. Konnte etwas erreicht werden? An was wurde gearbeitet in den letzten fünf Jahren?

Kurz: Erreicht haben wir die 24-Stunden-U-Bahn, übrigens eine Forderung der Jungen ÖVP. Aber es wurde auch an vielen anderen Themen gearbeitet, auch wenn man es als Oppositionspartei in einer Stadt wie Wien mit einer absoluten Mehrheit der SPÖ nicht gerade leicht hat. Denn viele neue Ideen der Opposition werden be- und verhindert, bevor überhaupt ernsthaft darüber nachgedacht wird. Eine weitere Forderung der ÖVP, die erfolgreich umgesetzt werden konnte, war das Gratis-Kindergartenjahr. Wir waren und sind diejenigen, die sich dafür starkmachen, dass es in Wien mehr Sicherheit braucht – in Form einer Stadtwache. Weil sich die zuständigen Stellen aber uneinig sind und der Bürgermeister uneinsichtig ist, hat sich da noch nichts getan. Wir kritisieren schon seit Jahren dieses Kapperltheater, dass jeder Putztrupp in Wien, jede Polizei und die Parksheriffs eigens organisiert sind und alle ihr eigenes Kapperl haben. Nur damit man den Beamtensumpf noch verstärkt und die eigenen Leute im Hofstaat unterbringen kann.

Polipedia: Kommen wir zurück zu den Landtagswahlen. Wie schaut Ihr persönliches Wahlkampfziel aus?

Kurz: Ich will, dass die ÖVP dazugewinnt.

Polipedia: Egal wie viel, Hauptsache dazugewinnen?

Kurz: Je mehr, desto besser.

Polipedia: In Ihrem Interview am 27.07. im Standard haben Sie gesagt: „Uns sind alle anderen näher als die SPÖ.“ Darf man daraus schließen, dass Ihnen eine Koalition mit Blau-Grün, so unwahrscheinlich das ist, lieber wäre, als Rot-Schwarz?

Kurz: Es ist nicht nur unwahrscheinlich, sondern unmöglich. Die Gefahr ist groß, dass die SPÖ die absolute Mehrheit sogar behält. Selbst für den Fall, dass die SPÖ die Absolute verliert, wäre die Koalitionsvariante Blau-Grün nicht denkbar.
In dem Standard-Interview ist es um die Zusammenarbeit gegangen, vor allem was neue Ideen angeht: U-Bahn oder WLAN an öffentlichen Plätzen. In diesem Zusammenhang sind uns alle anderen näher als die SPÖ.

Polipedia: Also ist Rot-Schwarz für Sie vorstellbar? Gibt es überhaupt Parteien, mit denen Sie nicht koalieren würden?

Kurz: Ich glaube, dass man mit jeder Partei eine Koalition wagen kann. Für eine Koalition Rot-Schwarz müsste sich aber in der SPÖ vieles ändern. Die ÖVP wird sicher nicht Steigbügelhalter für eine Politik der SPÖ sein, so wie sie jetzt gemacht wird.

Polipedia: Im Interview mit dem Standard haben Sie von einem Innovationsstadtrat gesprochen, welchen Sie sich für Wien wünschen. Was wären die Aufgabenbereiche von diesem Innovationsstadtrat?

Kurz: Wir haben zurzeit eine Stadtregierung, in der neue Ideen, Verbesserungen oder Veränderungen totgeschwiegen und abgetötet werden. Auch nach der Landtagswahl wird die SPÖ in der Regierung sein und das Team sehr ähnlich bleiben. Da weiß ich, dass wir es mit sehr innovationsfeindlichen Typen zu tun haben. Deshalb braucht es einen Innovationsstadtrat, der einfach dafür verantwortlich ist, dass neue Ideen gesammelt und vorangetrieben werden. Wien muss zur modernen Jugendmetropole werden!

Polipedia: Eine Aufgabe, die auch Sie gerne übernehmen würden?

Kurz: Ich glaube, es gibt genug geeignete Personen für diese Funktion. Es ist aber unwesentlich, von welcher Partei die Position besetzt wird, es ist unwesentlich, ob es ein Mann oder eine Frau ist, ob alt oder jung. Es geht nur darum, dass diese Person im Geiste jung ist, Wien vorantreiben will und nicht im Stil der SPÖ blockieren will.

Polipedia: Vielen Dank für das Interview!

Kurz: Danke.



Das vollständige Interview zum Nachlesen gibt es hier (Dateianhänge müssen sichtbar sein):

Zu dieser Seite haben beigesteuert: CM , System Administrator , Georg Heller , Gustav Graf (Admin) und Christoph Leschanz .
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